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Hans Saners heroischer Existentialismus

„Habe ich mich allein dadurch, dass ich lebe, einverstanden erklärt mit dem Zustand der Welt?

Nein. Denn mein Eintritt in das Leben und in die Welt war nicht ein Akt meines Willens. Andere haben mich gezeugt, eine andere hat mich geboren. Ich wurde ungefragt in eine Welt gesetzt, die ich nicht geschaffen oder mitgeschaffen habe. Ich wurde eingeschleust in die Komplizenschaft, ohne dass ich je zuvor den Zustand der Welt gebilligt hätte. Dass ich bin und dass ich in dieser Welt lebe, ist nicht meine Schuld.

Doch. Denn obwohl ich mich nicht selber in die Welt gesetzt habe, steht es mir nun frei, weiter zu existieren oder nicht. Ich habe nachträglich mein Leben gewählt, nicht allein im Wie, sondern auch im Dass seiner Existenz. Obwohl ich zu Beginn die Komplizenschaft nicht gewählt habe, kann ich sie nun ausschlagen. Wenn ich es nicht tue, so billige ich mein Dasein im Zustand dieser Welt. [...]

So ist es. Ich habe dadurch, dass ich einmal in die Welt gesetzt worden bin, ganz gleich, ob ich dann das Leben oder den Tod wähle, die Welt gebilligt. Ich bin zum Ja verdammt. Und in einem gewissen Sinn spreche ich dieses Ja in der totalen Negation am deutlichsten aus. Ich kann der Billigung nur auf eine Weise entgehen: im Kampf um die Veränderung der Welt. Allein indem ich kämpfe, mache ich glaubhaft, dass ich mit der bloßen Existenz den Zustand der Welt nicht billige. Und nur solange ich kämpfe, bin ich nicht grundsätzlich zur Komplizenschaft verurteilt. Im Kampf kann ich die Schuld am Dass meiner Existenz auf das Wie des Daseins verlegen. – Der Kampf für die Veränderung der Welt rechtfertigt allein, dass ich lebe."
(Saner, Die Anarchie der Stille, Lenos Verlag, Basel 1990, S. 109ff)

Kommentar:
Saners heroischer Existentialismus im Vorhof des Antinatalismus
Wer nicht damit einverstanden ist, hervorgebracht worden zu sein, dem wird oftmals die Frage vorgehalten, warum er sich denn nicht umbringe, um jene Nichtexistenz wiederherzustellen, die vor dem Beginn der eigenen Existenz waltete. Es ist dies eine besonders perfide Variante jenes Vorschlags, den man bisweilen in den Jahrzehnten der deutschen Teilung vernehmen konnte: Wenn es dir hier nicht gefällt, so geh doch nach drüben. Bundesdeutschen Gesellschaftskritikern wurde vorgeschlagen, in das Deutschland jenseits der Grenze zu gehen. Ähnlich wird Existenzkritikern öfters vorgeschlagen, Selbstmord zu begehen, um auf diese Weise ins Jenseits schlechthin zu gelangen und dergestalt die eigene Nichtexistenz wiederherzustellen. Saners obige Ausführungen empfehlen ein heroisches Aufbegehren gegen unverlangte Existenz. Im Fluchtpunkt seiner Überlegungen liegt damit eine antinatalistische Position, die er allerdings so nicht anspricht. Der Heroismus: Auch wenn wir ungefragt in die Welt hineingesetzt wurden, seien wir zum Ja verdammt, da der Selbstmord die Welt in einem noch stärkeren Ausmaße billige als die Fortexistenz. Begehe ich Selbstmord, gibt es auf der Welt eine Person weniger, die mit dem Weltzustand nicht einverstanden und bereit ist, verändernd in ihn einzugreifen. Mit dem Suizid werde die verkehrte Welt in gewisser Weise hingenommen, der Selbstmörder zum Komplizen ihres Zustands. Von daher sei kämpferische Fortexistenz geboten. In Anbetracht der Überlegungen Saners stellt sich freilich die Frage, ob die jeweils zum Ja Verdammten weitere zum Ja – zur Fortexistenz Verdammte – hervorbringen sollten. Da niemand mit dem nackten Dass der eigenen Existenz einverstanden sein kann und wir alle ungefragt ins Dasein getreten sind, stellt sich die Frage, ob die im Sanerschen Sinne die eigene Existenz heroisch Auslebenden nicht gehalten sind, davon Abstand zu nehmen, neue Menschen ins Dasein treten zu lassen. Indem Saner keine explizit antinatalistische Haltung einnimmt, macht er sich zum Komplizen einer Welt, die nicht zu sein bräuchte, insofern bei Erfüllung des antinatalistischen Programms niemand mehr da wäre.
[Hinzugefügt am 18. Oktober 2010]

Jonathan Swift
SEINSWILLIGKEIT UNTER AUSSETZUNG DER VERNUNFT
Although reason were intended by Providence to govern our passions, yet it seems that, in two points of the greatest moment to the being and continuance of the world, God hath intended our passions to prevail over reason. The first is, the propagation of our species, since no wise man ever married from the dictates of reason. The other is, the love of life, which, from the dictates of reason, every man would despise, and wish it at an end, or that it never had a beginning.

Kommentar:
Swift macht hier geradezu unsterbliche Aussagen. Gott müsse bei seinen Vernunftwesen die Vorherrschaft der Vernunft außer Kraft setzen, um sie seinswillig zu halten: Aus Vernunftgründen allein würde niemand die an den Stand der Ehe gebundene Fortzeugung betreiben. Und ohne eine göttlich eingegebene Liebe zum Dasein würde jedermann das eigene Leben verwünschen.
WRITINGS ON RELIGION AND THE CHURCH, VOL. I, EDITED BY
TEMPLE SCOTT, 1898, Chapter 15
[Hinzugefügt am 5. Juli 2010. Modifiziert am 21.10.2010]




Clemens Brentano, Godwi
Nur dann sind wir glücklich, wenn wir nicht wissen, wie wir es sind, wenn wir geboren sind und Kinder. Wenn wir jeden Mechanismus eines Lebens ergründen wollen, so sind wir zum Tode reif, und kennen wir ihn, so sind wir vorüber; denn dann ist das Leben mit uns selbst zusammengeflossen, und ist nicht mehr...
(Werke in 4 Bänden, hrsg. von Friedhelm Kemp, Hanser, München 1963-1968, Bd. 2, S. 116)
[Hinzugefügt am 13. Mai 2010]


Alfred Polgar: Geburtstag
(In: Die Mission des Luftballons. Skizzen und Erwägungen)
An dem Zwischenfall, geboren worden zu sein, schleppt man ein Leben lang. Über ihn kommt niemand auch nur einen Tag früher als am letzten hinweg. Sich mit ihm abzufinden, damit vergeht die ganze Zeit, die hier bewilligt ist, ihn für Augenblicke zu vergessen, erscheint als die einzige Möglichkeit, seiner Konsequenzen für Augenblicke froh bewusst zu werden. "Nicht geboren werden ist das beste", sagt der griechische Dramatiker. Deshalb wohl hat sich der Brauch eingebürgert, über den Geburtstag, das heißt die kalendarische Wiederkunft des Tages, der das war, dem von ihm Betroffenen durch Wünsche und Gaben hinwegzuhelfen. Vorwiegend durch Wünsche. "Geburtstagskind" sagen wir auch von dem alten Esel, der es bereits zum x-tenmal ist: Hier wird schon im Wort das dauernd Hilflose, Ohnmächtige, Rührende der Kreatur erfasst, das mit ihr geboren wurde und ihr anhängt wie die Haut, aus der sie nie fahren kann, ihre zeitlebens dauernde Angewiesenheit auf väterlichen Schutz, die entweder als religiöses Bedürfnis oder als Geldkomplex in Erscheinung tritt.
[Hinzugefügt am 19.12.2009]
Kommentar
Anders als der Beginn der eigenen Existenz – Monate vor der Geburt – ist das Geborenwerden tatsächlich ein Ereignis, das einen selbst betrifft. Weswegen Nichtgeborenwerden nur das Zweitbeste ist. Am besten ist es, nicht hervorgebracht zu werden, das heißt: gar nicht erst in Existenz zu treten. Freilich hätte das Nichthervorgebrachtwerden nicht einen selbst betreffen können, sondern immer nur die Welt im Ganzen. Sie ist der Adressat der Aussage, am besten wäre es, jemand würde nicht hervorgebracht oder, anders formuliert: Am besten wäre es gewesen, niemand wäre je in Existenz getreten. Am Ende hat Polgar, der antinatale Humorist, recht: Das Beste, was einem selbst passieren kann, ist, nicht geboren zu sein, auch wenn „es“ noch besser gewesen wäre, man selbst hätte nie zu existieren begonnen.
[Kommentar hinzugefügt am 21.10.2010]

Alighieri Dante, Die göttliche Komödie
Lasst, die ihr eingeht, jede Hoffnung fahren. -
Mit dunkler Farbe sah ich diese Worte
Geschrieben an dem Gipfel eines Tores
[...]
Sie lästerten auf Gott und ihre Eltern,
Die Menschheit und den Ort, die Zeit, den Samen,
Aus welchem Sie erzeuget und geboren.
Dann zogen samt und sonders sie vereinet
Laut weinend hin zu dem verruchten Strande,
Der jedes Menschen harrt, der Gott nicht fürchtet.
Die Hölle, dritter Gesang
[Hinzugefügt am 13. Mai 2010]









Jaroschenko
Der Elbrus

Peter Altenberg, Was der Tag mir zuträgt
S. Fischer, Berlin 1924. S. 77f
De libertate
Wir alle sind Gefangene, Kerkersträflinge des Lebens, Rekruten mit gebundener Marsch-Route,
Galeeren-Menschen unser selbst. Wie in einer schrecklichen dicken roten Ziegelkaserne
verbringen alle diese kurzen Fristen, die ihnen verliehen sind, lassen das süße Schicksal,
geboren worden zu sein, ungenützt. Nun gut. Wer wollte aufbegehren?! So ist es! Schweige,
Recrut des Lebens!
    Aber wie?! Besitzen wir nicht die heiligen Begabungen, das Leben, welches uns entrinnt,
in unseren Phantasien, in Träumen und Erdichtung festzuhalten?! So sind wir Künstler unser
selbst, Farçeure unserer Seele! Und wie, wenn Gott selber nun ein solcher Künstler würde
und einige sparsame Exemplare dieser Knechtes-Gattung »Mensch« schaffte als Wesen, die frei
sind von dem allem, was uns zwängt?! Gottes Phantasie-Geschöpfe! Gottes Dichtungen und
Träume selber?!?
    Ja, Gott, der Künstler über alle Künstler, schafft hie und da, um uns, den Müden, das
Leben frei von Knechtschaften und Banden vorzuführen, Menschen-Exemplare unter hundert
Millionen Sklaven, welche, losgelöst von dem Gesetz der Lebensschwere und seinen Drängen,
den Anderen die Freiheit zeigen, nicht als Ideal und nicht als Schreckgebilde, die Freiheit
an und für sich, die Freiheit, die gelöst im Welten-Raume liegt, gebunden nun in einem
Organismus, zu einem Organismus umgeschaffen, einem freien Menschen! In einem Bettler,
einem Könige vielleicht, in einer Dirne, in einer Prinzessin – – –!
    Bald findest Du, mühseliger Rampant, diese durch Gottes Künstlerlaune »Organismus
gewordene« Welten-Freiheit als einen armen Dichter, wie Paul Verlaine, der excedierte und
verkam, bald als eine Schauspielerin mit braunroten Haaren und grauen Augen und wunderbaren Armen, bald als einen Kaufmann, der sich plötzlich auf Bergalmen zurückzieht, wie ein
Holzknecht lebt, Schwarz-Föhren mit greisenhaftem Moose liebt und nach dem Sonnen-Sterben
Klopf-Vögeln lauscht, dem Ur-Tamtam des Waldes! Oder bald als ein junges Mädchen aus gutem Hause, welches unbekümmert in freiem Leichtsinn ihren Leib verschenkt, bald als einen
König, der unerhörte Bauten aufführt, bald als eine Metze, die zügellos dem Abgrunde
entgegengaloppiert und darauf pfeift, bald als eine Prinzessin, die Grenzen überschreitet
und im Unbegrenzten hinfliegt und sich schaukelt wie der Kondor in allzu dünnen Höhen-
Lüften, dem Irdischen fern und ausserhalb der Schwerkraft – – –! Im Paradies des
Unerlaubten.
    Merkwürdig seid Ihr, vor Gefangenschaften schon Stupide! Wie einer seid Ihr, den böse
Verwandte eingeschlossen hielten in einen Stall-Raum...
[Hinzugefügt am 13. Mai 2010]









Jaroschenko
Der Gefangene

Alfred Polgar, Reise
(In: Kreislauf, Kleinere Schriften, Band 2)
Wirklich froh in Österreich samt Burgenland, in Ungarn, Jugoslawien, Italien, Albanien, Griechenland und der Türkei, also vermutlich überall auf Erden, sind nur die kleinen Kinder. Etwa so bis zum zehnten Lebensjahr. Dann kommen sie auf den Schwindel, und ihre Züge, die reine Zeichnung waren, werden Schrift, schließen ineinander zu Chiffren hässlicher Erfahrung. Das Antlitz der Erwachsenen ist schon ganz Text, aufreizender, langweiliger oder erschütternder; fröhlich kann er keinen machen, der ihn richtig liest. Ja, Weltreisende wie ich lernen erkennen, dass das Leben, excepté les enfants, überall Protest gegen das Leben ist, schlauer oder dummer, verstohlener oder offener Widerspruch, aber immer Widerspruch. Dazu wären noch viele traurige Bemerkungen zu machen. Doch das führte über Konstantinopel weit hinaus, in ein schwarzes Meer.
[Hinzugefügt am 19.12.2009]

Alfred Polgar, Onkel Philipp

(In: Kreislauf, Kleinere Schriften, Band 2)
Onkels Lebensführung war reell wie seine Geschäftsführung. Er nahm ein Weib und zeugte Kinder, die in die Schule gingen, Masern und Scharlach bekamen, vielen Kummers Ursache wurden, aber diesen Kummer dadurch lohnten, dass sie da waren. Genau betrachtet ist nämlich der Sinn des Kinderzeugens - abgesehen von den flüchtigen Annehmlichkeiten, mit denen es verbunden ist - dieser: Kompensationen zu schaffen für alle Sorge und Plage, die durch Schaffung jener Kompensationen heraufbeschworen werden. Man fügt sich gewissermaßen eine Wunde zu, um aus ihr Balsam für die Wunde zu gewinnen.
[Hinzugefügt am 7.12.2009]
Kommentar
Der humoristische Antinatalist Polgar agiert hier zunächst in der Weise eines Schadenssummenutilitaristen: Er addiert den für die Eltern mit dem Ins-Dasein-Treten der Kinder entstehenden Negativnutzen. Allerdings werde der Schaden ausgeglichen durch den mit der Existenz der Kinder einhergehenden Nutzen. Fragt sich, was der Motor dieser ganzen Schaden-Nutzen-Kompensation ist. Am Anfang steht offenbar ein Minus, eine Störung gleichgewichtiger Zufriedenheit, welche die Eltern dazu antrieb, das Beisichbleiben zu überschreiten und ein Wesen hervorzubringen, das mit dem Schaden, den es bedeutet immer auch schon den ausgleichenden Nutzen liefert.
Verlassen wir den Bannkreis elterliche Schaden-Nutzen-Summen und beachten wir die Belange des Kindes, so müssen wir sagen, dass dem zunächst nicht existierenden Kinde durch seine Hervorbringung weder geschadet noch genutzt wurde. Da es nicht hätte sein zu brauchen, wird man in Ansehung der sich im Leben der Kinder aufsummierenden Übel jedoch sagen müssen, die Welt wäre besser gewesen, hätte man seine Hervorbringung unterlassen.
[Kommentar hinzugefügt am 22.10.2010]


Alfred Polgar: Wozu ist das Leben da?
(In: Die Mission des Luftballons. Skizzen und Erwägungen)
Der Vorsitzende im Prozess hat etwas von Gott. Er sitzt auf erhöhtem Stuhl und regiert die Welt. Er macht reden und heißt schweigen, er zürnt den Schlechten und lächelt den Guten [...] Da sagte der Vorsitzende zu dem kleinen Gauner - der seine Tat mit dem brennenden Wunsch, "auch einmal das Leben zu genießen", erklären wollte -: "Das Leben ist nicht dazu da, um genossen zu werden, sondern dazu, um es zu verdienen." Ich habe Gott, wenn ich nicht Dringlicheres mit ihm zu besprechen hatte, oft gefragt, wozu das Leben da sei. Nie kam eine Antwort. Nun weiß ich wenigstens, wozu es nicht da ist. Es ist nicht dazu da, um genossen zu werden. [...] Der Präsident sagte auch: "Das Leben ist dazu da, um es zu verdienen." [...] Aber ich kann nicht glauben, dass Gott solche moralischen Schiebergeschäfte mit seinen Kreaturen macht, dass er die Unmündigkeit der Noch-nicht-Geborenen benützt, um sie hineinzulegen, dass er, wie die Soldatenwerber alten Stils, seinen Opfern das Leben als Handgeld tückisch in die Tasche praktiziert, sie so zu Leistungen verpflichtend, von denen sie, als sie das Handgeld gezwungenermaßen nahmen, keine blasse Vorstellung haben konnten.
Kommentar:
De facto wird einem das Leben noch nicht einmal aufgezwungen, da es ja nicht so ist, dass man zuerst existiert und einem dann auch noch das Leben aufgenötigt wird. Vielmehr gerät man in das Dasein hinein ohne dass man etwas dafür oder dagegen unternehmen konnte. Es wird einem nichts geschenkt, auch anfänglich nicht, auch das Leben nicht. Die Rede vom Leben als Geschenk, dient allein dem Zweck, uns seinswillig zu halten. Erst als Mündige begreifen wir, dass das Dasein, in dem wir ebenso unverdienter- wie unverschuldeterweise plötzlich anwesend waren (nachdem es uns niemals zuvor gegeben hatte), wesentlich verdient werden muss. Bei dem Kleinkriminellen wird die sonstige Rhetorik vom Leben als Geschenk widerrufen. Fazit: Nicht das Leben wird uns gegeben, sondern plötzlich gibt es uns, und wir müssen uns das Leben verdienen und dürfen uns nicht einfach nehmen, was wir zum Leben brauchen.
[Kommentar hinzugefügt am 28.10.2010]

Polgars Worte sind christlich gelöste und spätheitere Nachfahren jener menschheitserschütternden Klage, die der Dichter John Milton den ersten Menschen, Adam, gegen Gott erheben lässt:

Nimm alles hin, was ich empfing; zu schwer

Sind die Bedingungen, die mir ein Glück,
Nach dem ich nicht gestrebt, verbürgen sollten!
Straft nicht genug mich meines Glücks Verlust,
Warum noch fügst du endlos Leid hinzu?
Ganz unerklärlich scheint mir dein Gericht;
Doch freilich recht ich jetzt zu spät mit dir.
Verwerfen musst ich die Bedingungen,
Als du sie stelltest, schon. Ich nahm sie an;
Das Glück genoss ich, und nun schmäh ich sie!
Gott schuf mich, ohne dass ich es gewollt.
(John Milton, Das verlorene Paradies, Zehntes Buch)

Um Polgars Frage zu beantworten: Unter monotheistischen Vorzeichen ist "das Leben" dazu da, einen selbstungenügsamen Gott zu unterhalten, der in umnachteter Stunde des Wissens um die eigene Allwissenheit verlustig gegangen sein musste und auf diese Weise den ganz ungöttlichen Gedanken gebar, das Drama um Schöpfung und Erlösung vermöchte ihm bereichernd Neues zu bieten.
[Hinzugefügt am 24.12.2009, modizifiert am 26.12.2009]


Octave Mirbeau - Jules Huret, Correspondance. Interview & articles. Édition établie, présentée et annotée par Pierre Michel. Préface de Jean-Étienne Huret. Du Lérot 2009, p. 258
"Je connais, en vérité, des gens qui me reprochent de les avoir attristés, découragés, puis calmés. Je comprendrais mieux ceux-là. Car, en effet, l'acte de perpétrer l'espèce malheureuse et sordide que nous sommes m'apparaît plutôt regrettable.
- La fin du monde, alors ? fis-je.
- Pourquoi pas ? Qui s'en plaindrait ? dit sérieusement Octave Mirbeau. Ce ne sont pas les morts, ce ne sont pas les foetus, ce ne serait ni le passé, ni l'avenir, ce seraient donc les gens vivants ? Allons donc ! Il n'y a pas un être humain sur la terre qui soit heureux, s'il est sincère avec lui-même, s'il ose envisager un instant qu'il doit mourir demain."
Übersetzung:
Es gibt wirklich Menschen, die mir vorwerfen, sie traurig gestimmt, entmutigt, schließlich versöhnt zu haben. Letzteres leuchtete mir schon eher ein. Tatsächlich nämlich scheint mir die Weiterverfolgung des Bestehens dieser unglückseligen und erbärmlichen Gattung, die wir nun einmal sind, durchaus verwerflich.
- Das Ende der Welt also?, bemerkte ich.
- Warum auch nicht? Wer sollte sich da schon beklagen?, entgegnete Octave Mirbeau in vollem Ernste. Nicht die Toten, nicht die Föten, weder die Vergangenheit, noch die Zukunft. Dann also vielleicht die jetzt Lebenden? Ach kommen Sie! Auf der ganzen Welt gibt es keinen einzigen glücklichen Menschen; jedenfalls dann nicht, wenn ein jeder aufrichtig gegen sich selbst ist und es wagt, seinem unmittelbar bevorstehenden Tode auch nur einen Moment ins Auge zu blicken.
[Hinzugefügt am 28.11.2009]


Alred Polgar, Das Kind
(In: Kreislauf, Kleinere Schriften, Band 2)
Nun das Kind zur Welt gekommen ist, haben alle, mit Ausnahme des Neugeborenen, große Freude. Verwandte und Bekannte blicken lächelnd auf das feuerrote, verrunzelte Stückchen Mensch, obzwar es doch eigentlich mehr Gefühl des Mitleids wecken  sollte, denn da es ins Leben trat, trat es ja in den Tod, und mit jeder Sekunde, die es sich vom Augenblick seines Anfangs entfernt, nähert es sich dem Augenblick seines Endes. Vor neun Monaten noch unsterblich wie eine ewige Idee, ein göttliches Prinzip, ist es nun schon mittendrin im Sterben...
[Hinzugefügt am 31. Oktober 2009]
Kommentar
 Aus diesem Grunde sollen die Thraker jeden ins Dasein Zwangseingewiesenen beweint haben.
[Kommentar hinzugefügt am 5.6.2012]


Das Umschlagen von Theodizee in Anthropodizee erläutert am Denken Mark Twains.
Gott ist der Prügelknabe der Philosophen und Literaten.  Er hätte sich darauf beschränken können, gute Wesen zu schaffen, doch er wählte, uns frei zum Bösen zu machen. Vor allem aber: Er schuf uns unaufgefordert! Nach dem Tode Gottes fällt der gegen Gott gerichtete Vorwurf auf all jene Menschen zurück, die neue Menschen zeugen, ohne von diesen darum gebeten worden zu sein.

Mark Twain, The Mysterious Stranger
A God who could make good children as easily as bad, yet preferred to make bad ones; who could have made every one of them happy, yet never made a single happy one; who made them prize their bitter life, yet stingily cut it short; who gave his angels eternal happiness unearned, yet required his other children to earn it; who gave his angels painless lives, yet cursed his other children with biting miseries and maladies of mind and body; who mouths justice, and invented hell – mouths mercy, and invented hell – mouths Golden Rules, and foregiveness multiplied by seventy times seven, and invented hell; who mouths morals to other people, and has none himself; who frowns upon crimes, yet commits them all; who created man without invitation, then tries to shuffle the responsibility for man's acts upon man, instead of honorably placing it where it belongs, upon himself; and finally, with altogether divine obtuseness, invites this poor abused slave to worship him!
[Hinzugefügt am 5. Juli 2009]



Thomas Bernhard bedenkt Kant
Wie der Schriftsteller Thomas Bernhard ein von Immanuel Kant hinterlassenes Problem zu Ende denkt.
Für Kant
"ist es eine in praktischer Hinsicht ganz richtige und auch notwendige Idee, den Akt der Zeugung als einen solchen anzusehen, wodurch wir eine Person ohne ihre Einwilligung auf die Welt gesetzt und eigenmächtig in sie herüber gebracht haben; für welche Tat auf den Eltern nun auch eine Verbindlichkeit haftet, sie, so viel in ihren Kräften ist, mit diesem ihrem Zustande zufrieden zu machen."
(Kant, Metaphysik der Sitten: Metaphysische Anfangsgründe der Rechtslehre, 1. Teil, § 28)

Bernhard schreibt in seinem Roman "Frost":
Er sagte: "Die Menschen, die einen neuen Menschen machen, nehmen doch eine ungeheuere Verantwortung auf sich. Alles unerfüllbar. Hoffnungslos. Das ist ein großes Verbrechen, einen Menschen zu machen, von dem man weiß, dass er unglücklich sein wird, wenigstens irgendwann einmal unglücklich sein wird. Das Unglück, das einen Augenblick lang existiert, ist das ganze Unglück. Ein Alleinsein erzeugen, weil man nicht mehr allein sein will, das ist verbrecherisch." Er sagte: "Der Antrieb der Natur ist verbrecherisch, und sich darauf berufen ist eine Ausrede, wie alles nur eine Ausrede ist, was Menschen anrühren."
[Thomas Bernhard, Frost]


Rohinton Mistry, A Fine Balance

Once there is a wife, there will be children. Then there will be even more on your mind. Where will they all stay? And all those mouths to feed. How many lives do you want to ruin? [...] Losing, and losing again, is the very basis of the life process, till all we are left with is the bare essence of human existence. [...] What sense did the world make? Where was God, the Bloody Fool? Did He have no notion of fair and unfair? Couldn’t he read a simple balance sheet? He would have been sacked long ago if He was managing a corporation, the things He allowed to happen.


Johann Peter Hebel, Der Spaziergang am See
„Herr Doktor,“ nahm er das Wort, „setzt Ihr voraus, dass das menschliche Geschlecht sich ewig auf der Erde fortpflanzen wird?“
„Das nicht,“ sagte der Doktor. „Wie aber, wenn sich sein Ende neigte, ehe Euer Morgenländer kommt! Wenn Ihr’s für möglich haltet, dass es (das Menschengeschlecht) irgendeinmal für nichts und wieder nichts könne so dagewesen sein, wie es ist mit seinen perennierenden Torheiten und Schmerzen, das ewige, wiederkehrende Einerlei eines schlechten Schauspieles, das imstande sein kann, ohne Entwicklung wieder aufzuhören, wie es anfing, matt?


August Klingemann, Die Nachtwachen des Bonaventura
Was liegt uns wohl am Weltgerichtstage näher als ein Rückblick auf den unter uns wankenden Planeten, der nun mit seinen Paradiesen und Kerkern mit seinen Narrenhäusern und Gelehrten Republiken zusammenstürzen soll; lasst uns deshalb in dieser letzten Stunde, da wir die Weltgeschichte abschließen wollen, nur kurz und summarisch überschauen, was wir, seit dieser Erdball aus dem Chaos hervorgestiegen, auf ihm getrieben und ausgeführt haben.

Oh, es hat mich toll und wild gemacht, und wie ich die Erdenbrut jetzt vor mir herum kriechend erblicke mit ihren Verdiensten und Tugenden, so möchte ich nur auf eine Stunde bei diesem allgemeinen Weltgerichte der Teufel sein, bloß um euch eine noch kräftigere Rede zu halten! – Die feierliche Handlung zögert noch immer, wie ich sehe, und es wird euch zur Bekehrung noch Raumgegeben, so betet und heult denn, ihr Heuchler, wie ihr es kurz vor dem Tode zu machen pflegt, wenn ihr euer verpfuschtes Leben nicht besser anzuwenden wisst, und unfähig geworden seid, länger zu sündigen. Hinter Euch liegt die ganze Weltgeschichte wie einalberner Roman, in dem es einige wenige leidliche Charaktere, und eine Unzahl erbärmlicher gibt. Ach, euer Herrgott hat es nur in dem einzigen versehen, dass er ihn nicht selbst bearbeitete, sondern es euch überlies daran zu schreiben. Sagt mir, wird er es jetzt wohl der Mühe wert halten, dass verpfuschte Ding in eine höhere Sprache zu übersetzen, oder muss er nicht viel mehr, wenn er es in seiner ganzen Seichtigkeit vor sich liegen sieht, es im Ingrimm zerreißen, und euch mit euren ganzen Planen der Vergessenheit überantworten? Ich seh's nicht anders ein! denn ihr alle, wie ich euch hier erblicke, könnt ihr wohl mit Recht auf den Himmel oder die Hölle Anspruch machen? Für jenen seid ihr zu schlecht, für diese zu langweilig!

Ich brachte das Volk indes schon durch meinbloßes Feuerwerkern in Aufruhr, und die flüchtige satirische Rede eines Esels über das Thema: warum es überhaupt Esel geben müsse, machte gewaltigen Lärm. Ich hatte bei Gott wenig Arges dabei gedacht, und das Ganze bloß aufs Allgemeine bezogen; aber eine Satire ist wie ein Probierstein, und jedes Metall, das daran vorüberstreicht, lässt das Zeichen seines Wertes oder Unwertes zurück; so ging’s auch hier – der *** hatte das Blatt gelesen, und alles genau auf sich passend gefunden; weshalb man mich ohne Weiteres in den Turm sperrte, wo ich Muße hatte immerwilder zu werden. Der Totenkopf fehlt nie hinter der liebäugelnden Larve, und das Leben ist nur das Schellenkleid, das das Nichts umgehängt hat, um damit zu klingeln und es zuletzt grimmig zu zerreißen und von sich zuschleudern. Es ist Alles Nichts und würgt sich selbst auf und schlingt sich gierig hinunter, und eben dieses Selbstverschlingen ist die tückische Spiegelfechterei als gäbe es Etwas, da doch wenn das Würgen einmal innehalten wollte eben das Nichts recht deutlich zur Erscheinung käme, dass sie davor erschrecken müssten.

Monolog des wahnsinnigen Weltschöpfers
Es ist ein wunderlich Ding hier in meiner Hand, und wenn ich’s von Sekunde zu Sekunde - was sie dort ein Jahrhundert heißen - durch das Vergrößerungsglasbetrachte, so hat sich's immer toller auf der Kugel verwirrt, und ich weiß nicht ob ich darüber lachen oder mich ärgern soll - wenn beides sich nur überhaupt für mich schickte. Das Sonnenstäubchen, das daran herumkriecht, nennt sich Mensch; als ich es geschaffen hatte, sagte ich zwar der Sonderbarkeit wegen es sei gut - übereilt war das freilich, indes ich hatte nun einmal meine gute Laune, und alles Neue ist hier oben in der langen Ewigkeit willkommen, wo es gar keinen Zeitvertreib gibt. [...] Aber dies winzige Stäubchen, dem ich einen lebendigen Atem einblies und es Mensch nannte, ärgert mich wohl hin und wieder mit seinem Fünkchen Gottheit, das ich ihm in der Übereilung anerschuf, und worüber es verrückt wurde. Ich hätte es gleich einsehen sollen, dass so wenig Gottheit nur zum Bösen führen müsse...

Hamlet an Ophelia
[...] Ich weiß gewiss, der böse Feind schwebt hohnlachend über der Erde, und hat die Liebe, als eine bezaubernde Maske, auf sie herabgeworfen, um die sich jetzt alle Menschenkinder reißen, sie auf eine Minutelang vorzuhalten. Sieh, auch ich habe sie leider gefasst, und minaudiere mit dem Totenkopfe recht zärtlich hinter ihr, und habe beim Teufel Lust das Menschenkind mit dir fortzupflanzen. O wäre die verwünschte Larve nicht, es hätten dann die Erdensöhne hienieden gewiss dem jüngsten Tage einen Possen gespielt durch ein Gesetz gegen die Bevölkerung, damit unser Herrgott, oder wer sonst zuletzt den Erdball noch einmal anschauen will, ihn zu seiner Verwunderung von Menschen durchaus entvölkert gefunden hätte.

Was beim Teufel, ist auch diese ganze Erde, nebst ihrem empfindsamen Begleiter dem Monde, anders wert als sie auszulachen - ja sie hat allein darum noch einigen Werth weil das Lachen auf ihr zu Hause ist.

Da drüben über uns im Himmelssee funkeln und schwimmen zwar unzählige Sterne, aber wenn es Welten sind, wie viele kluge Köpfe behaupten, so gibt es auch Schädel auf ihnen und Würmer, wie hier unten; das geht so fort durch die ganze Unermesslichkeit, und der Baseler Totentanz wird dadurch nur um so lustiger und wilder und der Ballsaal größer - O wie sie alle, die auf den Gräbern umherlaufen, und auf einertausendfach geschichteten Lava vergangener Geschlechter - wie sie alle nach Liebe wimmern, und nach einem großen Herzen über den Wolken, woran sie mit allen ihren Erden einst ruhen können! Wimmert nicht länger - diese Myriaden von Welten sausen in allen ihren Himmeln nur durch eine gigantische Naturkraft, und diese schreckliche Gebärerin, die alles und sich selbst mit geboren hat, hat kein Herz in der eigenen Brust, sondern formt nur kleine zum Zeitvertreib, die sie umher verteilt - haltet euch an diese, und liebt und girrt so lange diese Herzen noch zusammenhalten! – Ich will nicht lieben, und recht kalt und starr bleiben, um wo möglich dazu lachen zu können, wenn die Riesenhand auch mich zerdrückt!


Romane über den letzten Menschen
Daniel Kehlmann nennt Glavinics Roman DIE ARBEIT DER NACHT ein „wundersam großes Buch“. Iris Radisch sieht „Pascalsche Dimensionen“ eröffnet. Pascal selbst findet in Glavinics Roman keine Erwähnung. Sehr wohl aber in Guido Morsellis „Dissipatio humani generis“: „Ich rekapituliere (auswendig, weil ich keine Bücher habe…) den Streit Pascals mit Descartes.” (58). Leider wirkt Thomas Glavinics Roman wie die Rekapitulation von Guido Morsellis Werk. Gewiss hat Glavinic seinen Text auswendig niedergeschrieben. Und doch gewinnt, wer beide Romane kennt, den Eindruck, dass allein die Traumarbeit weniger Nächte zwischen genossener Lektüre Morsellis und eigener Produktion liegt. Im Vergleich bleibt der substantielle Eigenanteil Glavinics beschränkt auf eine Unzahl zertrümmerter Fensterscheiben sowie auf umfangreiche Schilderungen von Video-Selbstaufnahmen und Betrachtungen des schlafenden letzten verbliebenen Menschen. Statt weiterer Kritik eine Gegenüberstellung:

Guido Morselli
Dissipatio humani generis / Bibliothek Suhrkamp / Frankfurt/M 1993
Thomas Glavinic
Die Arbeit der Nacht / Hanser Verlag / München-Wien 2006
„Ich hatte einen Plan. Diese Menschen, sagte ich mir, sind fortgegangen. Sie sind nicht einfach verschwunden“. 34„An Außerirdische, die jahrelang unterwegs waren, bloß um ausgerechnet alle Wiener bis auf ihn verschwinden zu lassen, glaubte er nicht.“ 17
„Heute morgen in Widmad habe ich das Schaufenster eines Geschäfts eingeschlagen, um mir zwei Grapefruits zu holen.” 99„Mit der Zange hatte er Scheiben und Glastüren eingeschlagen und heulende Alarmanlagen abgeklemmt. 19 Auch die Auslagen der Geschäfte vor den südlichen Bahnsteigen schlug er ein.“ 22

„Ich habe die Nummer 11 gewählt, die Zeitansage…”„Es gab keinen Notruf. Kein Taxi. Keine Zeitansage.“ 17
„Ich trat mit erschrockener Wut aufs Gaspedal, ich der ich kaum fahren kann. Auf vierzig Kilometern Ebene nicht mehr als ein Dutzend Autos, alle von der Straße abgekommen.“ 11„Kurz vor der slowenisch-ungarischen Grenze passierte er einen umgestürzten Lkw. Er bremste so abrupt, dass er beinahe die Herrschaft über den Wagen verloren hätte.“ 42
„Ich habe den Wagen in Gang gesetzt und bin losgefahren, für eine Weile ohne zu wissen, was ich suchte und wohin ich eigentlich wollte. In Wirklichkeit hatte ich es auf Teklon abgesehen, den Flughafen.“ 136„Am Flughafen Schwechat machte er sich nicht die Mühe, den Wagen im Parkdeck abzustellen… Eine Lauda war da, eine Lufthansa, eine Maschine aus dem Jemen, eine aus Belgien.“ 19f
„Von heute an ziehe ich in den Bahnhof, das heißt nicht direkt in den Bahnhof, in einen Güterwagen. Selbstkasteiung, vielleicht.“ 132f„Ohne erst Waggon um Waggon zu durchsuchen, betrat er im Zug mit dem Bestimmungsort Zagreb das erste Abteil. Wo waren die Leute, mit denen er damals auf Bahnhöfen und in Parks übernachtet hatte, in diesem Augenblick?“ 23f
„Anarchie und Monarchie fallen zusammen, jetzt und in mir. Keiner verfügt über mich, ich verfüge über alles. Potentiell bin ich in der Lage, den Codex Atlanticus oder die Gutenberg-Bibel mit nach Hause zu nehmen, ohne dass mich einer anzeigt; mich als Philosophen auszugeben, ohne dass mich einer Lügen straft, den immerwährenden Frieden zu verkünden, in der Gewissheit, dass er eingehalten wird.” 99f„Gesetzt den Fall, er war wirklich allein, bedeutete das, er konnte eine neue Rechtsprechung erlassen. … Ihm, dem Souverän, stand es frei, Diebstahl und Totschlag theoretisch straffrei zu stellen… Er hatte die Möglichkeit, eine andere Staatsform zu wählen. Ja sogar eine neue zu erfinden. Obgleich das System, in dem er lebte, faktisch Anarchie, Volksherrschaft und Diktatur zugleich war.“ 117
„Ich suchte nach Pappbögen, großen Blättern, um darauf zu schreiben. … Alle mit der gleichen Aufschrift. “Sollte irgend jemand hier vorbeikommen, so bitte ich ihn, mich zu verständigen.” 136„Eilig schrieb er auf ein Stück Papier seinen Namen und seine Handynummer. Sowie eine Notiz, dass jeder, der dies lese, ihn unbedingt anrufen möge. Diesen Zettel klebte er am Empfangsschalter fest. Ehe er das Hotel verließ, deckte er sich mit Papier und Klebestreifen ein.“ 41
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